Beschreibung des Apsismalerei
In der Mitte der Apsismalerei befindet sich das nach Osten, zum Aufgang der Sonne, gerichtete Fenster. Es weist symbolisch hin auf Christus, die Sonne des Heils. Von Osten her erwartet die Gemeinde auch die Wiederkunft des Herrn.
Im oberen Drittel der Malerei über dem Fenster ist Christus als Allherrscher (Pantokrator) in der Mandorla, umgeben von den 4 Evangelistensymbolen, den Kirchenraum beherrschend, dargestellt. Die Gemeinde weiß um die Gegenwart des erhöhten Herren beim Gottesdienst; sie fühlt sich aber auch verbunden mit den Heilgen im Himmel. So sehen wir vom Beschauer aus links von Christus Maria, die Mutter des Herrn, wie sie ihm, von seinem Licht erleuchtet, die Hände entgegenstreckt. Weiter links, mehr im Dunkel, steht Johannes der Evangelist, der seine Hände vor der Majestät Christi ehrfurchtsvoll zurückhält. Auf der rechten Seite steht Petrus mit dem Schlüssel als Patron der Mutterkirche in Wormbach, neben ihm der Patron dieser Kirche, der Diakon Cyriacus.
Das mittlere Drittel der Apsismalerei (die Bilder in den Fensterlaibungen einbezogen) ist eine Darstellung des Erlösungsgeheimnisses. Darum steht zentral oben in der Fensterlaibung das "Lamm Gottes", das uns erlöst hat und die Fahne des Sieges trägt (Apk.5).
In der linken Fensterlaibung: Der Anfang des Erlösungswerkes in der Verkündigung durch den Engel Gabriel an Maria. Sie spricht ihr Jawort und empfängt vom Heiligen Geist.
In der rechten Fensterlaibung: Die Taufe Jesu im Jordan durch Johannes. Der Heilige Geist kommt in Gestalt der Taube auf Jesus herab. Johannes nennt ihn "das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt". Jesus beginnt sein öffentliches Wirken.
Die vorderen vier Bilder des mittleren Drittels sind Darstellungen von Ereignissen im Alten Bund (AT); sie wollen aber nicht einfach über diese Ereignisse berichten. Sie sind hier vielmehr entsprechend der Schriftdeutung der damaligen Zeit (teilweise schon altchristlich) typografische Bilder für Ereignisse im Neuen Bund (NT). Es gab bereits im 12. Jahrhundert Vorschläge für Kirchenmaler, welche Ereignisse besonders aus dem AT sie für ein Ereignis im NT als Typos darstellen können.*
Nikolaus von Verdun stellte z.B. in Klosterneuburg neben das Bild aus dem NT sogar zwei Vorbilder (Typen), eines aus der Zeit vor Moses, das andere aus der Zeit nach Moses.
In der Hohnekirche in Soest gibt es in der Hauptapsis zwei typologische Bilder aus dem AT mit dem darunter gemalten erklärenden Bild aus dem NT. Es gibt dort aber auch vier typologische Bilder ohne neutestamentliches Gegenstück. In unserer Kirche fehlt den oben erwähnten vier Bildern aus dem AT ebenfalls die entsprechende Darstellung aus dem NT. Die Deutung war meines Erachtens den Beschauern entweder aus Tradition geläufig oder musste vom Prediger gegeben werden. **
Links und rechts vom Fenster sind vorn zwei typologische Bilder aus der dem AT, die die wunderbare Geburt Jesu betreffen.
Das erste linke Bild zeigt Moses vor dem brennenden Dornbusch, der brennt und nicht verbrennt (EX 3,5). Es bedeutet schon nach altchristlicher Typologie: Christus Gottes Sohn, die Sonne des Heils, ist von Maria geboren worden, ohne sie durch seine Gottheit zu verbrennen. Sie ist Gottesmutter.
Das erste rechte Bild zeigt Moses, der von den 12 Stammesältesten (mit den 12 Judenhüten) das Priestertum des Stammes Aaron bestätigt. (Num 17): Als das Priestertum des Stammes Aaron von den anderen Stämmen bestritten wurde, ließ sich Moses von jedem der 12 Stammesältesten seinen Stab geben und stellte die Stäbe bei der Bundeslade zusammen. Am anderen Morgen grünte der Stab Aarons, den auf unserm Bild Moses mit der Hand bezeichnet. Dieser grünende Stab Aarons ist Typos für die immerwährende Jungfäulichkeit Mariens. - Leider ist der grünende Zweig, der nach Vergleichsbildern oben an der Spitze des Stabes Aarons hätte sein müssen, bei der Restaurierung nicht mehr gefunden worden. Vielleicht hat dort ein Stützbalken für den Barockaltar gesessen?
Vertraut ist uns die Typologie des äußeren linken Bildes: Abraham will seinen Sohn Isaak auf Gottes Befehl opfern. Die Hand Gottes hält ihn nach Erfüllung der Glaubensprobe zurück (Gen.22). Die christliche Deutung sieht hier vorgeahnt das Kreuzopfer des Sohnes Gottes.
Fremder dagegen ist uns die Bedeutung des äußeren rechten Bildes: Simson, der überstarke Mann der Juden, dessen Kraft in den Haaren lag, ist nach Gaza, der Stadt der Philister, der Feinde der Juden, gekommen. Man erfährt davon, schließt das Stadttor und lauert ihm auf, um ihn im Morgengrauen zu überwältigen. Er aber hebt mit seiner Kraft das Stadttor aus und trägt es mit dem Pfosten (hier als Säulen gezeichnet) davon (Ri. 16,3).
Dieses Ereignis wird gesehen als Typos für den auferstehenden Christus, der sein Grab sprengt, so z.B. auch im Klosterneuburger Altar dargestellt.
Zusammenfassend zum mittleren Drittel der Apsismalerei kann man sagen: Die christliche Gemeinde sieht hier neben der Menschwerdung Jesu das, was in der hl. Messe gefeiert wird. Es wird heute ausdrücklich im Lobpreis der Gemeinde: "Deinen Tod, o Herr verkünden wir (Isaakoper-Kreuzesopfer), deine Auferstehung preisen wir (Simson - Auferstehung), bis du kommst in Herrlichkeit (Sonnenfenster)".
Die beiden Bilder im unteren Drittel der Apsismalerei haben keinen heilsgeschichtlichen sondern einen belehrenden Charakter, wie im berühmten Miniaturenbuch "hortus deliciarum" (ca. 1180) der Herrad von Landsberg im letzten Drittel der didaktische und moralisierende Allegorien gezeichnet sind.
Links eine Darstellung der Fortuna (römische Glücksgöttin oder Göttin des blinden Zufalls) mit dem "Rad der Zeit". Links vom Rad ein Kaiser in seiner Herrlichkeit, rechts der Kaiser, der gesenkten Hauptes die Korne verliert und sein Zepter sinken läßt. Zeitgenössiche Erinnerungen an den Kaiserstreit zwischen Friedrich von Schwaben und Otto von Braunschweig mögen damals dem Beschauer aufgekommen sein. An das Rad klammert sich ein Knabe, der die Fortuna anstarrt und alles von ihr erwartet. Doch die Fortuna schaut mitleidslos und blind über alles hinweg. Ähnliche Fortuna-Darstellungen gibt es im christlichen Mittelalter in vielen Buchmalereien. Auch im oben genannten hortus deliciarum ist die Fortuna mit der Vergänglichkeit der kaiserlichen Herrlichkeit gezeichnet.
Ob irgendwoanders auch noch die Göttin Fortuna in einer romanischen Altarapsis gezeichnet ist, ist unbekannt. Das Rad der Fortuna gibt es an Außenfassaden der Kirchen (z.B. Rosettenfenster an der Nordseite des Baseler Doms (1150) und an St. Entienne in Beauvais (1140)).
Die Fortuna-Darstellungen des Mittelalters gehen vor allem auf eine Schrift zurück, die sehr viel gelesen wurde: Boethius, "Trost der Philosophie". Boethius (480-526) war Kanzler und Freund des Kaisers Theodorich von Ravenna. Nach Verleumdung zum Tode verurteilt, schrieb er in der Todeszelle vor seiner Hinrichtung dieses Buch.
Das zweite Kapitel handelt von der Fortuna, der er die göttliche Vorsehung entgegenstellt. Diese Schrift erfreut sich größter Beliebtheit in den Klöstern. Sie wurden durch König Alfred im 9. Jahrhundert ins Angelsächsische und durch Notker Labeo (950-1022) ins Deutsche übersetzt. ***
Boethius schreibt über die Fortuna: "Hast du dich dem Regiment der Fortuna anvertraut, so musst du den Sitten des Herrn gehorchen. Du versuchst, den Schwung des rollenden Rades aufzuhalten. Aber, törichtester aller Sterblichen, wenn sie anfängt zu beharren, hört sie auf, blinder Zufall zu sein."
Als korrespondierendes Bild ist auf der rechten Seite zweimal der hl. Nikolaus dargestellt. Es kann sich um eine Illustration einer Nikolauslegende handeln, die an erster Stelle in der "legenda aurea" (13. Jahrh.) steht. Das linke Nikolausbild zeigt: Seefahrer sind in Not. Sie rufen: "Nicolae, du Knecht Gottes, wenn es wahr ist, was wir von dir gehört haben, so lass uns deine Hilfe erfahren!" Er erscheint ihnen, stellt hier seinen Bischofsstab in das Schiff und hilft.
Das rechte Bild zeigt die Geretteten in der Bischofskirche in Myra. Dort erkennen sie ihren bischöflichen Helfer und danken Gott und ihm. Im Gegensatz zur Fortuna schaut Nikolaus die Menschen an.
Aussage der korrespondierenden Bilder wäre, dass man sich nicht der blinden Fortuna sondern der Fürsprache des hl. Nikolaus anvertrauen soll. Unter der Fortuna ist al fresco ein Greif gezeichent. Der Greif ist eine Verbindung von Löwe und Adler, ein uraltes Fabeltier, meist Sinnbild des Hochmuts. Soll er hier vielleicht an die sagenhafte Greifenfahrt Alexanders des Großen erinnern, das Ende irdischer Macht? (vgl. Greifenfahrt Alexanders im Freiburger Münster). Vielleicht ist dieser Greif aber nur der Rest eines ornamentalen Greifenbandes?
* Floridus Röhrig, Rota in medio rotae - Ein typologischer Zyklus aus Österrecih. in Jahrbuch des Stiftes Klosterneuburg - Neue Folge Bd. 5 Klosterneuburg 1965 S. 13 f.
** Xavier Baralt i Altet, Fancois Avril u. Danielle Baorit-Chopn, Romanische Kunst 1. Bd. (Mittel- und Südeuropa), Beck, München 1983, S. 250
*** A. Doren, Fortuna im Mettelalter und in der Renaissance, in: Vorträge der Bibliothek Warburg, Bd. II, 1924, Heft 1; b) J. Kajanto, Fortuna, in RAC Bd. 8, Seite 193
Quelle: "Die romanische Pfarrkirche St. Cyriacus" geschrieben von Pfarrer Hans Rother.